Rede des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen zur Vorlage des Haushalts 2026 in der Stadtverordnetenversammlung Dillenburg vom 11.12.2025

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich, wie alle Jahre wieder an dieser Stelle, einen guten Abend wünschen. Doch dieses Jahr ist es anders als sonst, denn die Wahlperiode von uns allen neigt sich dem Ende zu. Und so ist es Zeit, nicht nur auf den aktuellen Haushalt zu schauen, sondern auch einen Rückblick auf die gesamte Wahlperiode zu wagen.

Insbesondere unsere Fraktion kann dabei allerdings wenig Freude empfinden. Zwar wurden einige wichtige ökologische Themen angegangen, wie die Wärmeaktionsplanung, das Konzept für Frischluftschneisen oder erste Schritte beim Radverkehrskonzept – und natürlich die Einrichtung eines Ausschusses, der sich mit genau diesen immer wichtiger werdenden Umweltthemen befasst. Und bei manch anderen wesentlichen Dingen wie dem Jugendpark, mit dessen Bau endlich begonnen wurde, bei der Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in unserer Stadt oder der Unterstützung caritativer Arbeit der Kommune, also auch der Flüchtlingsarbeit, kann man zusammenfassend sagen, dass ein gemeinsames Agieren im Stadtparlament immer noch am effektivsten ist. Veranstaltungen, wie der Familientag beim Wilhelmsturmjubiläum oder das „Picknick am Turm“ haben gezeigt, welche Vielfalt Dillenburg zu bieten hat.

Leider lässt das nicht den Frust vergessen, der bisweilen doch aufkommt, wenn gegeneinander gearbeitet wird – oder bestimmten negativen und teils destruktiven Strömungen nicht widersprochen wird.

Umso erfreulicher ist es, dass sich anlässlich der Bürgermeisterwahl in Dillenburg gezeigt hat, dass Gewissheiten keine Automatismen sein müssen. An dieser Stelle möchten wir noch mal dem designierten Bürgermeister zu seiner Wahl gratulieren und ihm eine glückliche Hand in Bezug auf die wichtigen Fragen unserer Stadt wünschen, bei der die Herausforderungen konsequent angegangen werden. Wir erwarten eine professionelle Amtsführung und laden hier zu einer gemeinsamen Arbeit in Sinne der Stadt ein.

Zu einer konstruktiven Arbeit gehört natürlich auch das Abarbeiten von mehrheitlich
beschlossenen Anträgen der Fraktionen. Mal angenommen, es gäbe keine Grünen mehr: vermutlich würde sich der eine oder die andere darüber freuen. Aber das hieße dann auch, dass manche wichtigen Themen gar nicht erst angesprochen würden. Und auch das Benennen von Unterschieden oder das Aufzeigen kreativer und zukunftsorientierter Lösungsansätze für diese Stadt würde wegfallen. Ebenso bliebe die wohl lauteste mahnende Stimme in Bezug auf den Haushalt stumm. Und so kommen wir zum eigentlichen Thema: dem Haushalt.

Ich kann an dieser Stelle nur erneut wiederholen, wie dankbar man in solch unsicheren Zeiten für Beständigkeit im Leben ist. Die Schieflage des Haushaltes zählt allerdings nicht zu diesen Freuden des Lebens, wenngleich diese wahrhaft beständig zu sein scheint. Diese defizitäre Haushaltslage ist in nahezu allen Kommunen der Umgebung zu erkennen. Also grundsätzlich kein Dillenburger Spezifikum. Der Bund und das Land übertragen Aufgaben an uns, die nicht ausreichend gegenfinanziert werden und die Unternehmen weisen weniger Gewinne auf, was zu einem Rückgang der Gewerbesteuer führt. Jene Faktoren liegen größtenteils außerhalb unseres unmittelbaren Einflussbereiches. Doch die Dimension des Haushaltsdefizits unserer Stadt von mehr als 15 Millionen Euro zeigt, dass es uns selbstverschuldet stärker trifft als andere. Bereits zur vergangenen Haushaltsberatung hatten wir die Frage nach einer Konsolidierung des Haushalts an die großen Fraktionen dieses Hauses gerichtet. Dabei blieb die Frage seitens der SPD unbeantwortet. Die CDU wiederum entgegnete phantasielos wie immer: „Kredite!“. Dies ist nur dann eine nachvollziehbare Antwort, wenn man die Diskussion im vergangenen Haupt- und Finanzausschuss bedenkt. Hier verweigerte sich nahezu der gesamte Ausschuss, die ganzheitliche Haushaltsberatung an den Anfang zu stellen. Vielmehr schlug man einen bekannten Weg ein: Erstmal über Einzelmaßnahmen alleine und für sich entscheiden und Gelder bereitstellen, dann muss man sich mit diesen Positionen auch nicht weiter in der Haushaltsdiskussion herumschlagen. Diese Art der Vorfestlegung ist uns allen ja bereits seit Jahren bekannt, zuletzt eindrücklich zu sehen bei „Beratung“ und Beschluss hinsichtlich der Prioritätenliste. Was eine ergebnisoffene Diskussion über Prioritäten der städtischen Finanzierungen hätte werden können, wurde eine Aneinanderreihung von anstehenden Großprojekten; eine schlichte Auflistung ohne inhaltlichen Diskurs. Unser scheidender Bürgermeister hat sich hierzu in der vergangenen Haupt- und Finanzausschusssitzung eingelassen. Er hat dazu geraten, Projekte nötigenfalls zu verschieben und sich insgesamt zu Projekten zu positionieren. Ein Appell, den Sie ebenfalls in unserer Haushaltsrede des vergangenen Jahres finden. Taten sind diesem doch sehr sinnvollen Vorschlag seitens der Mehrheitsfraktionen bislang nicht gefolgt. Stattdessen sieht sich jede Kritik an der gleichzeitigen Realisierung mehrerer Großprojekte dem Vorwurf ausgesetzt, man wolle die entsprechenden Vorhaben torpedieren. Das ist allerdings nie die Frage, die dabei eigentlich im Raum steht. Niemand von uns spricht sich dagegen aus, dass Kinder schwimmen, Dorfgemeinschaften ihre Feste feiern und Vereine ihre Versammlungen abhalten können. Doch zu welchem Preis möchten wir das erreichen?

„Eine Stadt wie Dillenburg muss sich das doch leisten können!“, sagen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktionen, immer. Wir aber fragen Sie erneut: Welche Kosten wollen sie auf sich und vor allem auf die Schultern der nachfolgenden Generationen laden? Ist eine Stadt mit einer derartig immensen Verschuldung auch in 3-4 Jahren noch voller Lebensqualität? Kurbeln derartige Umstände aus Ihrer Sicht den Zuzug neuer, junger Bürgerinnen und Bürger an? Bietet eine derartige Finanzpolitik eine Basis für junge Familien, die sich gar darauf freuen, die Kinder oder sogar Enkelkinder in solch einer „Beständigkeit“ aufwachsen zu sehen? Die Fragen kann sich jeder selbst beantworten. Für uns ist jedoch klar, dass die derzeitige Finanzpolitik, die von den Mehrheitsfraktionen getragen wird, verantwortungslos und kurzsichtig ist. Bestenfalls kann man darauf hoffen, dass ein Stoßgebet bei der Einreichung unseres Haushaltes bei der Aufsichtsbehörde die Chancen auf eine Genehmigung erhöht. Aus unserer Sicht ist „Hoffen“ zwischenzeitlich das Einzige, was einem Jahr für Jahr bleibt, wenn man immer defizitärere Haushaltsentwürfe erarbeitet und symbolisch über leicht veränderte Hebesätze Einsparungswillen suggerieren möchte. Seriöse Finanzpolitik sieht einfach anders aus. Deshalb werden wir uns auch in diesem Jahr nicht mit dieser unseriösen, verschwenderischen und kurz gedachten Finanzpolitik gemein machen – und deshalb als Konsequenz auch dem vorliegenden Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Über den Haushalt hinaus gilt es allerdings auch ein paar allgemeine Angelegenheiten dieser Stadtverordnetenversammlung anzusprechen und, wie eingangs erwähnt, zu resümieren.

Im Raum steht immer wieder ein Elefant, und zwar ein blauer, der sich benimmt wie im Porzellanladen. Die AfD Fraktion nutzt dieses Plenum nach wie vor für persönliche Anfeindungen, äußert strafrechtlich relevante Beleidigungen, droht selber mit dem Rechtsweg, z.B. zur Kommunalaufsicht und schafft somit, leider immer erfolgreicher, eine zunehmend vergiftete Atmosphäre. Und der Großteil der gewählten Stadtverordneten schaut zu, duckt sich weg und bleibt stumm. Da stellt sich die Frage: Warum sind sie hier, meine Damen und Herren? Um zu schweigen und ihre Stimme nicht zu gebrauchen?

Unsere liberale Demokratie bedeutet ganz im Sinne des ursprünglichen Liberalismus nicht Diktatur der Mehrheit, sondern gemeinschaftliche Entscheidungsfindung vor dem Hintergrund bürgerlicher Pflichten und Rechte. Dabei werden Sachverhalte lautstark debattiert und Argumente ausgetauscht. Doch eine Grenze darf niemals überschritten werden und das ist die Verletzung der Menschlichkeit, wenn unsere demokratischen Grundwerte angegriffen werden. Unsere liberale Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern muss täglich von uns allen erneuert und gelebt werden. Wenn es in einer Demokratie keine Demokraten gibt, die für sie aufstehen, dann ist es antidemokratischen Kräften erlaubt, die Spielregeln der Demokratie gegen sie einzusetzen. Bereits jetzt sehen wir in unseren europäischen Nachbarländern und den USA, wie wichtig die kommunale Ebene beim Aufmarsch antidemokratischer Kräfte ist und was auf uns zukommen könnte. Deswegen freuen wir uns, dass in dieser Versammlung einige dem entgegentreten. Jedoch benötigt es uns alle, jeden Einzelnen von Ihnen. Denn wenn Stadtverordnetenvorsteher davor zurückschrecken, die AfD an den gemeinsamen Umgang im Parlament zu erinnern und stattdessen vor sich hin getrieben Stadtverordnete für Nebensächlichkeiten rügen, dann erhält unser System die ersten Risse. Dann fangen wir an aufzugeben. Grenzen zu verschieben, die irgendwann unsichtbar werden. Im letzten Sitzungslauf im kommenden Jahr wird sich wohl wenig daran ändern, doch besonders diejenigen, die weiterhin in diesen Sitzungssaal einziehen, laden wir herzlich ein, dass wir in Zukunft gemeinsam aufstehen und die Kräfte, welche unser demokratisches System abschaffen wollen, in ihre Schranken weisen! Mir bleibt am Ende nur zu sagen, dass ich viele von Ihnen auf die eine oder andere Art zu schätzen gelernt habe, und ich hoffe wirklich, dass diese Stadtverordnetenversammlung wieder standhafter und mutiger wird.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine besinnliche Vorweihnachtszeit, schöne
Feiertage im Kreise der Liebsten – und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Falk Rathmann
Fraktionsvorsitzender