Haushaltsrede 2024 des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Dillenburg vom 07.12.2023

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrter Herr Erster Stadtrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu und es ist mal wieder an der Zeit, Bilanz zu ziehen für ein Jahr, das uns alle erneut vor schwierige Herausforderungen gestellt hat. Zwar ist Corona weitestgehend aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwunden, dafür ist der noch immer andauernde Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine weiterhin präsent. Hinzu kommt ein Nahost-Konflikt, dessen Auswirkungen auf uns noch nicht absehbar sind.

Von daher ist man dankbar für Konstanten im Leben. Hierzu zählt auch der Dillenburger Haushalt, der – wie kann es anders sein – wieder nicht ausgeglichen ist.

Schauen wir also nun auf das, was wir heute zu entscheiden haben: Die Zahlen des Haushaltes für 2024. Und diese Zahlen haben es in sich: Nachdem wir schon im letzten Jahr einen Rekordschuldenstand erreicht haben, als hätte es den Schutzschirm und die Hessenkasse nie gegeben, schließen wir auch dieses Jahr wieder mit einem Millionendefizit ab. Im von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsentwurf sind es trotz Einsparbemühungen des Haupt- und Finanzausschusses 3,16 Millionen – was nur durch einen Griff in die Rücklagen ausgeglichen werden kann. Und das trotz massiver Kürzungen quer über alle Resorts hinweg, die unsere sowieso schon an der Grenze der Belastbarkeit arbeitenden städtischen Beschäftigten noch näher an den Rand der Erschöpfung – und im schlimmsten Fall in krankheitsbedingte Fehlzeiten – treiben

werden.

Der Griff in die Rücklagen wäre ja dann zu vertreten, wenn diese absehbar wieder aufgefüllt werden könnten. Aber das ist nicht absehbar. Zwar sind keine neuen Großprojekte dazugekommen allerdings sind auch keine der bereits bestehenden Baustellen von der Agenda genommen worden. So betrachten wir weiterhin mit großer Sorge die Entwicklung der Sanierungskosten des Aquarena-Bades, die mit weit über 10 Millionen Euro zwischenzeitlich eigentlich einem Neubau gleichkommen. Auch die Sanierung der Stadthalle mit einer zu erwartenden notwendigen Investition von weit mehr als 6 Millionen Euro steht noch auf der Agenda. Gleiches gilt natürlich auch für die Glück-Auf-Halle in Oberscheld und die Neubauten der Feuerwehr-Gerätehäuser in Niederscheld und Manderbach. Auch die komplette Umgestaltung des Areals der Stadtwerke für mehr als 7 Millionen Euro sowie die Umsetzung sinnvoller Maßnahmen aus der Lokalen Partnerschaft stehen auf dem Plan. Des Weiteren stehen Maßnahmen aus dem zwischenzeitlich vorliegenden Verkehrskonzept, die grundhafte Sanierung der Kurhaus-Brücke und zwischenzeitlich mehr als maroden Gemeindestraßen ebenfalls vor uns. Nicht zuletzt beschäftigt uns auch die Weiterentwicklung des Schlossberges mit der Sanierung des Langhauses für ein neues Museum und die energetische Sanierung städtischer Gebäude. All diese Maßnahmen finden wir entweder gar nicht, oder nur zum ganz kleinen Teil finanziell in diesem Haushaltsentwurf abgebildet.

Was wir auch noch nicht finden sind die im Haupt- und Finanzausschuss beschlossenen zusätzlichen Stellen, die zur Entlastung der VerwaltungsmitarbeiterInnen führen – und nicht zuletzt unsere Arbeit als ehrenamtliche Stadtverordnete besser unterstützen sollen.

Und wir fragen Sie wie schon häufig an dieser Stelle: Wie soll die Stadt die aktuellen Defizite ausgleichen?

Wie sähe der Haushalt aus, wenn bei den eben genannten großen Posten die Folgejahre bereits in den Haushalt eingepreist wären?

Dass für alle diese Projekte keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, will außer uns Grünen anscheinend keiner wahrhaben. Wir glauben, dass dieses sehr, sehr wackelige Konstrukt des Haushaltes keiner realistischen Belastung standhalten wird. Und wir halten es für einen großen Fehler, dass wir der Empfehlung der Genehmigungsbehörde nicht gefolgt sind, auch weiterhin ein Haushalts-Sicherungskonzept aufzustellen.

Spätestens dann hätten all diese Investitionen und auch die Personalkosten dort auftauchen müssen, und wir hätten gesehen, dass das alles zusammen nicht seriös finanzierbar ist.

Lassen Sie mich als ein Beispiel hier nur mal die Glück-auf-Halle nennen, deren Wiederaufbau wir natürlich auch befürworten. Wie bei allen anderen Großprojekten der Stadt sehen wir auch hier leider schon wieder die dringende Notwendigkeit, anzumahnen, bei den stattfindenden Gesprächen maßvoll zu sein und keinen Palast bauen zu wollen. Aber stattdessen sind die Mehrheitsfraktionen in diesem Haus schon seit längerem dabei, den Oberschelder BürgerInnen ein multifunktionales Luxusgebäude mit allem drum herum, als Ersatz für die abgebrannte Halle zu versprechen. Und in den Medien lesen wir schon die Wunschliste der Oberschelder Vereine und Politiker*innen: Neben der Halle weitere Räume in einem zweiten Stockwerk als Ersatz für das marode DGH, eine Gaststätte mit Dachterrasse, und so weiter. Selbst von einer Tiefgarage wurde schon fabuliert.

Verständlich, schön und wünschenswert wäre das vermutlich alles, aber wir können das schlicht nicht mehr bezahlen. Die Gebäudeversicherung hat nach zähen Verhandlungen gerade mal knapp 2 Millionen Euro für den Ersatzneubau zugesagt. Angesichts der angespannten Haushalts-Situation ist es deshalb einfach nicht angezeigt, durch immer länger werdende Wunschzettel die zur Verfügung stehende Versicherungssumme zu verdrei- oder gar zu vervierfachen.

Wir Grünen achten seit vielen Jahren ganz besonders darauf, dass wir die nach uns kommenden Generationen nicht in ihrer Handlungsfähigkeit beschneiden, mit immer mehr Schulden, mit nicht mehr zu bezahlenden Großprojekten und Fehlinvestitionen.

Aber seit ebenso vielen Jahren sind für eine vorausschauende – und damit nachhaltige – Finanzpolitik hier, in diesem Hause keine Mehrheiten zu bekommen. Das hat sich auch in diesem Jahr bei allen wesentlichen Beschlüssen zu kostenintensiven Vorhaben wieder gezeigt.

Deshalb haben wir bei den Haushaltsberatungen konsequenterweise auf Sparanträge bei kleineren Einzelposten verzichtet.

Erfreulich und notwendig sind natürlich die geplanten Neubauten und Erweiterungen von Feuerwehrgerätehäusern und Kindertagesstätten, wenngleich auch hier die Finanzierung letztlich ungeklärt ist.

Denn Investitionen in den Brandschutz und die Betreuung von Kindern sind notwendig und wünschenswert. Investitionen in Spielplätze für Kinder sind es auch. Und da ist es schon enttäuschend, wenn sich die CDU, in Person des Vorsitzenden des Stadtverbands in der Stadtverordnetenversammlung beim Aufzeigen von Mängeln an unseren Spielplätzen auf den Schlips getreten fühlt, anstatt sich konstruktiv mit diesen Mängeln auseinanderzusetzen.

Es gibt in den Ortsteilen und z.B. auf den Löhren ganz sicher tolle Spielplätze. Dass aber in der Kernstadt auch andere Zustände herrschen, davor darf die CDU, und auch keine andere Partei die Augen verschließen. Auch hier möchten Kinder vernünftig spielen können. Auch hier möchten Eltern ihre Kinder spielerisch und körperlich beschäftigt wissen – und nicht nur daddelnd zu Hause vor den Bildschirmen. Hier können diese Eltern mit anderen Eltern ins Gespräch kommen, gute Erfahrungen miteinander machen, gute Gespräche führen und so zur Verbesserung der Sozialstruktur unserer Stadt machen. Wir wünschen uns deshalb einen unvoreingenommenen Blick auf die Spielplatzsituation in der gesamten Kernstadt und sehen hier weiterhin, wie Ihnen allen bekannt, Verbesserungspotential.

Hier, wie auch bei anderen Themen zur sozialen Gestaltung unserer Stadt werden wir zwar aus der Opposition heraus, aber viel lieber mit den städtischen und parlamentarischen Gremien, gemeinsame, positive Veränderungen bewirken. Nicht um der politischen Rechthaberei Willen, sondern um unsere Stadt und ihre öffentliche Wahrnehmung attraktiver werden zu lassen und zu einem Lebenswerteren Ort zu machen.

Dem an dieser Stelle immer wieder vorgetragenen Vorurteil, wir Grüne würden in unfairer oder gar destruktiver Weise gegen die Stadtverwaltung agieren, treten wir entschieden entgegen. Das kann man schon daran erkennen, dass wir den Antrag zur Optimierung der städtischen Internetauftritte zurückgezogen haben, weil er missverständlich aufgefasst werden konnte bzw. missverständlich aufgefasst worden ist.

Aber es gibt natürlich auch Positives zu berichten: Uns Grüne freuen besonders alle Bestrebungen, die Infrastruktur für die Radfahrer zu verbessern, und wir begrüßen außerordentlich diesbezügliche Planungen. Auch dass jetzt endlich eine Vereinsförderrichtlinie in den Beratungslauf kommt, ist sehr erfreulich. Hier haben unsere ständigen Ermahnungen scheinbar endlich Wirkung gezeigt.

Wir danken an dieser Stelle noch einmal besonders allen MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung und der Kindertagesstätten, die in den vergangenen Jahren wieder einmal unter außergewöhnlicher Belastung gestanden haben, und – mit immer neuen Aufgaben betraut – weiterhin stehen.

Unser Dank gilt insbesondere aber auch der Kämmerei mit Frau Bellersheim an der Spitze für die sicher nicht einfache Erarbeitung des Haushaltsentwurfes – und die geduldige Beantwortung all unserer Fragen.

Positiv hervorzuheben ist auch die angeregte und oft konstruktive Diskussion, die die räumliche Nähe im Stadtverordnetensitzungssaal wieder möglich macht. Ein kleines Zeichen gemeinsamer Ablehnung von populistischer Agitation statt verantwortlicher Politik in diesem positiven Sinn hat der Sitzungssaal im September erlebt, als ein unsinniger Antrag aus der hinteren (rechten) Ecke ohne Aussprache einfach abgelehnt wurde.

Diese Gemeinsamkeit und v.a. die durchgängige Distanzierung der sogenannt etablierten Parteien fehlt aber an vielen Stellen noch, wenn es um die klare Linie gegen politische Äußerungen und Aktivitäten geht, deren Ziel eben nicht zuvorderst das Wohl unserer Stadt ist, sondern bei denen es darum geht, demokratische Auseinandersetzungen mit oftmals sachfremden Inhalten und verbal massiv zu stören. Solcher Untergrabung der demokratischen Grundgedanken muss unser aller Aufmerksamkeit und Ablehnung gelten.

Und so blicken wir als Fazit zwar gewohnt sorgenvoll in ein kommendes Haushaltsjahr und werden aus den ausgeführten Gründen dem vorgelegten Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 nicht zustimmen.

Wir blicken aber auch auf die guten Möglichkeiten, die sich aus gemeinsamer Arbeit aller demokratischen Kräfte ergeben können.

Trotzdem wünschen wir Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins das Jahr 2024.

Vielen Dank.