Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 21. Juli 2022 betreffend Finanzkonzept für das Sport- und Familienbades Aquarena

Die Stadtverordnetenversammlung beschließt:

Der Magistrat wird beauftragt, ein tragfähiges Finanzierungs- und Nutzungskonzept für das Sport- und Familienbad Aquarena aufzustellen. Dazu sind die tatsächlichen Gesamtkosten des Aquarenas inklusive der Betriebskosten sowie der Abschreibungen für Errichtung und Sanierung im Sinne einer Nutzungssteuerung so anzusetzen, dass die Besucher*innen aus Dillenburg und Umgebung das Bad zu jeder Zeit für die eigentlichen Ziele der Bewegung und der Gesundheitsförderung nutzen können.

  1. Die Eintrittspreise sind anzuheben
    1. für Besucher*innen auf einen Deckungsgrad von 75%,
    2. für Sportvereine und wirtschaftliche Akteure mit Sitz außerhalb der Oranienstadt auf einen Deckungsgrad von 125%,
    3. für wirtschaftliche Akteure mit Sitz in der Oranienstadt auf einen Deckungsgrad von 100%,
    4. für Sportvereine mit Sitz in der Oranienstadt auf einen Deckungsgrad von 66%.
  2. Die Eintrittspreise für das Schulschwimmen sind mit den zuständigen Kostenträgern Lahn-Dill-Kreis sowie Kreis Siegen-Wittgenstein so neu zu verhandeln, dass ein Deckungsgrad von 125% erreicht wird. Sofern die Kostenträger einen entsprechenden Kostenansatz nicht zu tragen bereit sind, ist den Schulen bis auf Weiteres der Zutritt zum Aquarena zu verwehren.
  3. Über entsprechende Regelungen in der Hausordnung und deren Kontrolle ist sicherzustellen, dass die Eintrittspreise für Sportvereine und wirtschaftliche Akteure sowie das Schulschwimmen nicht über reguläre und damit subventionierte Eintrittsgelder umgangen werden können.
  4. Über eine zentrale Vergabe der Bahnbelegungen ist sicherzustellen, dass die Besucher*innen des Aquarenas zu jeder Stunde der Öffnungszeiten auf mindestens drei Bahnen Zugriff haben. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass nicht mehr als 20% der verfügbaren Belegungszeiten der Bahnen für Gruppen aus Sportvereinen, wirtschaftlichen Akteuren und Schulen vergeben werden.
  5. Für die Bahnbelegung sind im Finanzierungskonzept angemessene Gebühren zusätzlich zu den Eintrittszahlungen einzuplanen.
  6. Die Entscheidung über die jährliche Planung der Bahnbelegung wird nach Vorlage des Magistrats dem Ausschuss für Jugend, Soziales, Sport und Kultur in öffentlicher Sitzung übertragen.
  7. Gemeinsam mit den zuständigen Kostenträgern Lahn-Dill-Kreis und ggf. Kreis Siegen-Wittgenstein, vor allem aber mit den ebenfalls Schwimmbäder betreibenden Kommunen im Lahn-Dill-Kreis, soll der Magistrat sich beim Land Hessen dafür einsetzen, dass das Bundesland seine verfassungsgemäßen Verpflichtungen der auskömmlichen Ausstattung seiner Kommunen (§ 7 HFAG) sowie der Förderung des Sports (Artikel 26g HV) erfüllt und die Kommunen bei Errichtung und Unterhalt ihrer Schwimmbäder signifikant entlastet oder für einen entsprechenden Ausgleich unter den Kommunen sorgt.

Das Finanzierungskonzept ist den zuständigen Ausschüssen für Jugend, Soziales, Sport und Kultur sowie dem Haupt- und Finanzausschuss zur weiteren Beratung vorzulegen. Nach einer abschließenden Beschlussfassungen sind die Auswirkungen des Finanzierungskonzeptes in den ersten zwei Jahren halbjährlich und ab dann jährlich den zuständigen Gremien zur Kenntnis vorzulegen.

Begründung:

Die finanzielle Bedeutung des Aquarenas für die Haushalte und das Vermögen der Oranienstadt Dillenburg haben wir bereits in unserer Haushaltsrede für das Jahr 2022 hervorgehoben: Mit 33,2 Millionen Euro Gesamtkosten seit Beginn der Bauarbeiten ist das Hallenbad für fast zwei Drittel des städtischen Schuldenstandes verantwortlich.

Mit unserer ausführlichen Anfrage für die Sitzung vom 31. März haben wir weitere Zahlen und Informationen erbeten, um die Herausforderungen, vor die das Aquarena unsere Stadt stellt, genauer zu verstehen. Auch wenn unsere Fraktion, wie des Öfteren bereits erklärt, sowohl die Bedeutung des Sports als auch die Bedeutung des Schwimmenlernens als öffentliche Aufgabe anerkennt, haben die tatsächlichen Ergebnisse der Anfrage unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt:

So nutzen zum Beispiel 24 Schulen das Aquarena für die genannten Zwecke –zahlen dabei aber in den meisten Jahren weniger Anteil am Gesamteintritt, als sie allein gemessen an den Besucher*innenzahlen darstellen müssten. Dabei müsste es doch sogar ein höherer Anteil sein, wenn gerade das Schwimmenlernen und die gesundheitsfördernde Bewegung für alle Bürger*innen die hervorragende Aufgabe eines lokalen Schwimmbades sein soll.

Noch dazu sind unsere Eintrittspreise ohnehin hoch defizitär. Um das Betriebsführungsentgelt auszugleichen, also keinen Verlust mehr zu machen, müssten unsere Eintritte um 140 bis 490 Prozent angehoben werden. Das heißt: Für jeden Eintrittspreis legen wir nochmal das anderthalb- bis fast fünffache obendrauf.

Besonders prekär sind die Belegungszeiten des Aquarenas: Allein für den Schulsport sind zahlreiche Bahnen oder gar das ganze Schwimmbad geschlossen: Montags in der 5. und 6. Stunde sind alle Bahnen zu, in der 8. und 9. Stunde nochmal die Hälfte, Dienstags von der 1. bis 9. Stunde sind die Hälfte der Bahnen zu, Donnerstags ebenso. Freitags von der 1. bis 6. Stunde (!) sind sogar alle Bahnen zu, in der 8. und 9. dann nochmal eine Bahn. In der Summe belegen die Schulen so gut 15% aller verfügbaren Bahnzeiten.

Dazu kommt dann noch die Belegung durch den Vereinssport. Laut der Antwort auf unsere Anfrage sind weitere 12,7% aller verfügbaren Bahnzeiten durch Vereine, Schwimmschulen und ähnliches blockiert.

Nach §§ 19 und 20 der Hessischen Gemeindeordnung sind öffentliche Einrichtungen für die Einwohner der Gemeinde bereit zu stellen und diese sind dazu berechtigt, die Einrichtungen nutzen zu können. Wenn wir aber fast dauerhaft Teile der Einrichtung und teilweise sogar die ganze Einrichtung für die Öffentlichkeit schließen, dafür aber eben diese Öffentlichkeit, also unsere Bürger*innen, finanziell aufkommen müssen – dann haben wir eine Schieflage, die es zu korrigieren gilt.

Das Land oder der Kreis wären hier am Zug, darin sind wir uns sicher alle einig. Aber wir können darauf nicht warten und unsere Schuldenlast weiter explodieren lassen sowie wichtige kommunale Aufgaben vernachlässigen. Daher müssen wir, auch besonders unter der Last der massiven Sanierungsinvestitionen, schleunigst handeln und die Kosten und Erträge des Aquarenas endlich realistisch bewerten.

 

Christian Jung
Fraktionsvorsitzender